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Volksmusik

Rap ist ein wichtiges Instrument der Neuen Rechten. Wie konnte es passieren, dass Rechtsextreme eine schwarze Jugendkultur vereinnahmen?

  • 6 Min.

Am 25. September 2020 war plötzlich Schluss mit Chris Ares. „Mit der Musik und dem Auftreten in der Öffentlichkeit werde ich nun aufhören“, schrieb Christoph Aljoscha Zloch, wie Ares mit bürgerlichem Namen heißt, in die Telegram-Gruppe „CHRIS ARES OFFIZIELL“. Er habe sich verändert, sein bisheriger Weg sei nicht mehr der richtige. Dabei hatte der Rapper noch vor wenigen Monaten in einem Interview 2020 als das Jahr des sogenannten „Heimat-Rap“ ausgerufen. Was war passiert?

Zloch ist eine zentrale Figur im Rechtsrap – einer Strömung, dessen Texte sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wenden. So entwirft Ares in seinen Liedern Bilder von Kriegszuständen und einer „rechten Revolution“ in Deutschland. Er rappt, dass es die Bundesrepublik und ganz Europa zu verteidigen gilt – gegen Geflüchtete, gegen Linke, Menschen mit Migrationsgeschichte oder queere Personen. Kurz: gegen alle, die nicht in seine limitierte Vorstellung eines weißen Deutschlands passen.

Chris Ares’ erste Single stand kurzzeitig auf Platz eins der Amazon-Charts

Der bayerische Verfassungsschutz stuft das Gründungsmitglied des rechtsextremen „Bündnisses deutscher Patrioten“ als einen „bedeutenden Akteur in der bundesdeutschen identitären Musikszene“ ein. Mit „identitär“ ist hier das Umfeld der sogenannten „Identitären Bewegung“ gemeint, einer recht kleinen internationalen Gruppierung, die sich vor allem online groß inszeniert und vom Bundesverfassungsschutz seit 2019 als „gesichert rechtsextrem“ bezeichnet wird.

Zloch ist einer der ersten Rechtsrapper, dessen Veröffentlichungen auch jenseits extrem rechter Filterblasen sichtbar wurden. 2019 stand seine erste offizielle Single „Neuer Deutscher Standard“ kurzzeitig auf Platz eins der Amazon-Charts. Am 3. Juli dieses Jahres veröffentlichte Zloch sein Album „Ares“. Einen Tag vor dem Release entfernte Amazon all seine Produkte aus dem Sortiment, wenige Tage später löschte Spotify den gesamten Katalog des Rappers, Apple zog mit iTunes und seinem Streamingdienst Apple Music nach. Im August sperrte YouTube schließlich Ares’ Channel, dem zu diesem Zeitpunkt rund 80.000 Menschen folgten.

„Bis zur Jahrtausendwende war rechtsextreme Subkultur musikalisch auf Rechtsrock festgelegt“

Der Journalist Sammy Khamis, der sich seit einigen Jahren mit Extremismus und Musik beschäftigt, sieht darin nicht den Hauptgrund für Ares’ Rückzug: „Ich sehe das eher in einer Reihe mit weiteren gescheiterten Projekten der Neuen Rechten in letzter Zeit: Siedlungsprojekte, Wohnprojekte, Ladenprojekte. Vieles, was die Identitäre Bewegung in den letzten Jahren aufgezogen und ganz groß kommuniziert hat, scheitert aktuell.“

Rechtsrap ist eng mit der Neuen Rechten verknüpft. Er wird als Teil der sogenannten „Kulturrevolution von rechts“ gesehen, einem Kampfbegriff aus den intellektuellen Kreisen der Neuen Rechten. Ziel ist dabei, die Grenzen des Sag- und Machbaren zu verschieben, um die Meinungsvielfalt einzuschränken und letztlich eine rassistische Politik zu ermöglichen – auch mithilfe von Kulturprodukten wie Rap.

„Bis zur Jahrtausendwende war rechtsextreme Subkultur musikalisch festgelegt auf Rechtsrock“, sagt Khamis. Ab diesem Zeitpunkt öffnete sich die Szene stilistisch. Auch aus dem NSU-Umfeld sei bekannt, dass dort nicht nur Rechtsrock und Heimatlieder gehört wurden. Mit neuen Formen des Rechtsextremismus wie etwa der Kleinstpartei „Der Dritte Weg“, die aus der 2014 verbotenen Kameradschaft „Freies Netz Süd“ hervorging, habe sich die Musik verändert, sagt Khamis. Rapper wie King Bock und Makss Damage zählten zu den ersten Figuren dieser neuen Generation.

Dass Rap in US-Großstädten als Musik der Schwarzen entstanden ist und bis heute vielen Menschen, die diskriminiert und ausgegrenzt werden, als Protestinstrument und Empowerment dient, spielt im Rechtsrap keine Rolle. „Rechtsextremer Rap hat sich nie wirklich mit der Geschichte dieses Musikstils auseinandergesetzt“, sagt Khamis. „Da werden Widersprüche hingenommen oder nicht thematisiert.“

Rechtsrap wird immer professioneller

Für Khamis stellt rechtsextremer Rap ein Aufbegehren innerhalb der Szene dar: „Es gab eine Zeit, in der die NPD eine Partei der alten Männer war und in der rechten Szene mit ihrem Einzug in Landesparlamente angekommen schien.“ Rappen kann also als Versuch junger Rechtsextremer gelesen werden, mit dieser parlamentarischen Kultur zu brechen und sich wieder mehr als Subkultur zu verstehen. Eine Entwicklung, an die in den Zehnerjahren vor allem die Identitäre Bewegung mit ihrem popkulturellen Appeal anknüpfen konnte. Mit identitären Rappern wie Komplott, der seine Karriere im Januar dieses Jahres angeblich beendete. Und eben Ares.

Einer geht noch

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Die neue Generation weiß, wie weit sie gehen kann, ohne die Grenze des Justiziablen zu überschreiten. In den Texten von Komplott, Ares und anderen gibt es jede Menge Anspielungen und verklausulierte Andeutungen. Begriffe aus vermeintlich unpolitischen Kontexten wie „Heimatstolz“, „weiße europäische Geschichte“ und „deutsche Identität“. Begriffe, die vielen harmlos erscheinen mögen, die einige Eingeweihte aber ganz genau zu deuten wissen – und die sich in ein rechtsextremes Weltbild fügen.

Komplott beispielsweise spricht im Song „Gestern und Morgen“ von einem „Genozid“ am deutschen Volk. Eine Anspielung auf den rechtsextremen Verschwörungsmythos vom sogenannten „großen Austausch“, ein angeblicher Geheimplan, der vorsieht, die weiße Mehrheitsbevölkerung Europas durch nicht-weiße Einwander*innen zu ersetzen. Auch Zloch bemüht diesen Verschwörungsmythos im Song „BRDigung“ auf seinem neuen Album.

Mit Zloch und der Figur Chris Ares hat sich der rechtsextreme Rap professionalisiert. Er ist zu einem wichtigen Rekrutierungsinstrument für die Neue Rechte geworden. „Für Ares war Musik eine Zeit lang der Weg, um seine Ideologie unter die Menschen zu bekommen“, sagt Khamis. „Jetzt hat er beschlossen, keine Musik mehr zu machen. Einen Rückzug aus seinem deutsch-nationalen Aktivismus bedeutet das noch lange nicht.“ Und mit Rappern wie Prototyp und Primus aus Zlochs Crew Neuer Deutscher Standard steht die nächste Generation schon in den Startlöchern.

Titelbild: Rechtes Konzert in Rostock (Foto: Paul Sander/imago images)

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